Was tun, wenn vom Gericht Untersuchungshaft verhängt wurde?
Wie sich jeder leicht vorstellen kann, ist es ziemlich unangenehm, wenn ein Gericht die Untersuchungshaft über eine Person verhängt hat.
Wann ist die Verhängung der Untersuchungshaft zulässig?
Sofern jemand im Verdacht steht, ein strafbares Delikt begangen zu haben, kann die Polizei bei Gefahr in Verzug, sofort die Festnahme aussprechen oder wird diese von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 StPO angeordnet. Achtung, Sie haben gemäß § 49 StPO immer direkt das Recht auf einen Verteidiger. Machen Sie von diesem Recht Gebrauch und rufen mich als Ihren Rechtsanwalt für Strafrecht an!
Die Möglichkeit der Anhaltung bei der Polizei besteht für maximal 24 Stunden, danach muss ein Journalstaatsanwalt die Untersuchungshaft beantragen. Dann muss der Festgenommene gemäß § 174 StPO binnen 48 Stunden dem Gericht vorgeführt werden, welches dann über die Verhängung der Untersuchungshaft entscheidet. Die Verhängung der Untersuchungshaft ist nur zulässig, wenn:
- der Beschuldigte dringend einer Straftat verdächtigt wird, sie somit sehr wahrscheinlich begangen hat (RS0107304),
- ein Haftgrund vorliegt und die Untersuchungshaft zur erwartenden Strafe nicht unverhältnismäßig ist (§ 5 StPO),
- die Untersuchungshaft nicht durch „gelindere Mittel“ (zB Abgabe des Reisepasses) ersetzt werden kann (§173 StPO).
Welche Haftgründe müssen vorliegen?
Folgende konkreten Haftgründe müssen gemäß § 173 StPO vorliegen, dass die Untersuchungshaft verhängt werden kann:
- Fluchtgefahr, diese ist vor allem gegeben, wenn der Strafrahmen für das Delikt hoch ist und der Täter keinen Wohnsitz in Österreich hat.
- Verabredungs- bzw. Verdunkelungsgefahr, das bedeutet, dass die Gefahr besteht, der Täter beseitigt Beweise oder beeinflusst Mitbeschuldigte.
- Gefahr einer neuerlichen Straftat bzw. Weiterführung der bereits begonnenen Straftat, diese Gefahr ist gegeben, wenn die Straftat mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht ist. Insbesondere bei Suchtmitteldelikten wird dieser Haftgrund angenommen.
Fluchtgefahr ist gemäß § 173 Abs 3 jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer Straftat verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, er habe bereits Vorbereitungen zur Flucht getroffen
Die Bestimmung, dass sobald der Verdacht besteht, dass ein Verbrechen begangen wurde, das mit mindestens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, grundsätzlich immer die Untersuchungshaft verhängt werden muss, wurde vom VfGH Anfang 2023 aufgehoben.
Wann wird die Untersuchungshaft vom Gericht wieder überprüft?
Die Verhängung der Untersuchungshaft muss in den in § 175 StPO angeordneten Abständen vom Gericht in einer Haftverhandlung überprüft werden. Diese Haftverhandlungen sind nicht öffentlich. Die Verlängerung der Untersuchungshaft muss daher erstmals nach zwei Wochen vom Gericht geprüft werden, dann nach einem Monat und danach jeweils alle zwei Monate. Wird dann die Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht, finden an sich keine Haftverhandlungen mehr statt, außer es wird beantragt.
Ich möchte eine sofort eine Überprüfung meiner Untersuchungshaft!
Grundsätzlich kann jederzeit ein Antrag auf Enthaftung gestellt werden, wenn neue Tatsachen vorliegen, die gegen eine weitere Inhaftierung sprechen. Dieser Antrag kann durch den Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befindet, selbst – oder durch seinen Strafverteidiger– gestellt werden. Dann muss das Gericht unverzüglich spätestens binnen 7 Tagen eine Haftverhandlung durchführen.
In der Haftverhandlung kommt es wesentlich auf den Strafverteidiger an, da dieser einen Enthaftungsantrag gut vorbereiten muss. Die Chancen für eine Enthaftung steigen massiv, wenn der Angeklagte eine Arbeit in Aussicht hat, eine Wohnmöglichkeit, sowie ein soziales Umfeld. Dadurch können Haftgründe unter Umständen ausgeschaltet werden oder zumindest ein gelinderes Mittel möglich sein. Die Untersuchungshaft darf gemäß § 173 Abs 3 StPO nicht angeordnet werden, wenn ihr Zweck durch gelindere Mittel erreicht werden kann. Ein gelinderes Mittel ist gemäß § 173 Abs 5 zum Beispiel die Abgabe des Identitätsnachweises (Passes, Führerschein), dadurch kann der Haftgrund der Fluchtgefahr beseitigt werden. Weitere gelindere Mittel sind unter anderem die Ablegung eines Gelöbnisses nicht zu fliehen oder die Ermittlungen zu erschweren, die Hinterlegung einer Kaution, oder die Weisung sich in regelmäßigen Abständen bei der Kriminalpolizei zu melden.
Nach ständiger Rechtsprechung muss die Verhängung der Untersuchungshaft verhältnismäßig sein (§ 5 StPO). Das bedeutet, das Verhältnis der Verhängung, Fortsetzung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft muss zur Bedeutung der Sache, also der Straftat oder der zu erwartenden Strafe maßgeblich sein (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO). Zudem darf
Rechtsmittel gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft:
Für den Fall, dass die Untersuchungshaft in einer regulären Haftverhandlung gemäß § 175 StPO oder aufgrund eines Enthaftungsantrages verlängert wurde, steht dem Häftling binnen drei Tagen die Beschwerde gemäß § 87 StPO an das Oberlandesgericht zu. Wird eine derartige Beschwerde eingebracht, entscheidet dann das Oberlandesgericht, ob die Entscheidung des Haftrichters, die Untersuchungshaft zu verlängern, rechtmäßig war oder der Häftling sofort freizulassen ist.
Wie lange kann die Haft höchstens andauern:
Die Untersuchungshaft aufgrund von Verabredungs- bzw. Verdunkelungsgefahr darf insgesamt längstens zwei Monate dauern. Ansonsten ist der Beschuldigte gemäß § 178 StPO spätestens dann aus der Haft zu entlassen, wenn er sich
- wegen des Verdachts eines Vergehens schon sechs Monate,
- wegen des Verdachts eines Verbrechens schon ein Jahr oder
- wegen des Verdachts eines Verbrechens, das mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, schon zwei Jahre.
in Untersuchungshaft befindet, ohne dass die Hauptverhandlung begonnen wurde.
Für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren und junge Erwachsene bis 21 Jahre gibt es teilweise abweichende Bestimmungen zur Untersuchungshaft.
Fazit:
Sollten Sie Festgenommen werden, leisten Sie niemals Gegenwehr und bleiben Sie ruhig, es wird sich zu einem späteren Zeitpunkt alles klären lassen! Sie haben bei der Befragung durch die Polizei und vor Gericht in der Haftverhandlung das Recht zu schweigen und einen Rechtsanwalt beizuziehen. Außerdem müssen Sie das Vernehmungsprotokoll nicht unterschreiben. Machen Sie keine Aussage bevor Sie mit mir als Ihren Rechtsanwalt und Strafverteidiger gesprochen haben.
Wenn Sie einmal etwas zugegeben haben, haben Sie später fast keine Chance mehr, diese Aussage später wieder zu revidieren. Dies, da die vor der Polizei oder der Haftverhandlung getätigten Aussagen später in der Hauptverhandlung verlesen werden können und somit als Beweis dienen. In der Hauptverhandlung wird dann über das angelastete Delikt verhandelt, während in der Haftverhandlung ausschließlich über die Verlängerung der Untersuchungshaft verhandelt wird. Dies ist dann ein großes Problem, wenn diese Aussagen von den neuen Aussagen in der Hauptverhandlung abweichen. Richter neigen dazu, den Aussagen vor der Polizei oder der Haftverhandlung mehr Glauben zu schenken.
Ein Rechtsanwalt kann dem Gefangenen in der Untersuchungshaft und den Angehörigen zudem auch in Fragen behilflich sein, wie er an frische Kleidung kommt, wie die Angehörigen ihn besuchen können, wie er an Bargeld kommt und vor allem welche Möglichkeiten der Enthaftung es gibt.
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Dieser Artikel soll lediglich eine kurze Übersicht darstellen und ist ohne Gewähr. Sofern Sie weitere Fragen haben, können Sie mich gerne jederzeit während meinen Kanzleizeiten telefonisch kontaktieren. Weiter Informationen zu den einzelnen Strafdelikten finden Sie hier.
Stand: Mai 2022
Mag. Sascha Flatz, Ihr Rechtsanwalt für Strafsachen in 1010 Wien.
- Mail: office@rechtsanwalt-flatz.at
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